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Die X-Files Olympia - Artikel von Tamino Hasler

von Team GRG7

Sotschi, Winter 2014:

Der Umweltaktivist Jewgeni Witischko lehnte sich steht gegen Umweltverschmutzung im Olympiaort auf und wurde verhaftet; eine Skipiste führte über ein historisch wichtiges, tscherkessisches Massengrab; Arbeiter wurden nicht vollständig ausbezahlt, Rebellen wurden zurück in die Heimat „gebracht“; es wurde durch Naturschutzgebiete gebaut; …

Rio de Janeiro, Sommer 2016:

Im Sommer 2016 wies eine Studie an 5 Stränden Rios Spuren von Methicillin Resistentem Staphylococcus Aureus (MRSA; ein multiresistentes Bakterium) nach; Brasilien hat nun 30 Millionen Schulden mehr; das Spektakel kostete umgerechnet 10,4 Milliarden Euro; 77.000 Menschen wurden zwangsumgesiedelt; …

Pyeongchang, Winter 2018

50.000 Bäume aus einem Naturschutzgebiet wurden für 6 Skirennen, die (zit. Mathias Mayer) „ein bisserl kurz“ waren, gefällt; Uralte Mongolische Eichen, Baumaralien, Mandschurische Tannen und Eiben wurden gerodet; Seltene Tierarten wie die Bengalkatze, der eurasische Fischotter, das Gleithörnchen und der echte Marder verloren essentielle Rückzugsorte; 34 Familien wurden allein für die Alpinen Skibewerbe umgesiedelt; …

 

Genug der Geschichte, was hat es mit der Zukunft des Spektakels, welches immer teurer und immer letaler für die Umwelt wird, auf sich? Der Wirtschaftswissenschafter Andrew Zimbalist erklärte das große Dilemma der Spiele im Zuge eines 27-minütigen Podcasts auf CFR, dem Council on Foreign Relation, einer privaten Denkfabrik aus den Vereinigten Staaten:

Alles beginnt mit einem Angebot. Einem Angebot eines Landes, welches sich vorschlägt, um die nächsten Olympischen Spiele zu beheimaten. Dieses Angebot wird an das olympische Komitee geschickt, welches dann die unterschiedlichen Austragungsorte gegeneinander abwiegt. Das Hauptargument: Infrastruktur. Als Gastgeber muss man unter anderem eine Medieneinrichtung, Platz für die Siegerehrung, Transport, Grünflächen um Wohlstand zu suggerieren. Und wer einmal die Spiele hosten will, sollte mit den Vorbereitungen ungefähr 10 Jahre im Voraus beginnen. Zusätzlich kann man sich da schon einmal auf enorme Kosten vorbereiten: Etwa 100 Millionen kostet allein schon einmal das Angebot, das Spektakel austragen zu dürfen: Man muss hierbei dutzende Studien und Berechnungen, was die Kosten wirtschaftlich wie auch ökologisch betrifft, durchführen lassen. Wenn das IOC lädt, wäre es außerdem von Vorteil zu erscheinen, auch wenn es dabei um Meetings und Venues geht, die sich am anderen Ende der Welt befinden. Um sich auf alle möglichen Szenarios zu wappnen, sollte man auch Sachkundige in wirtschaftlichen und architektonischen Belangen konsultieren, die ihren Job auch nicht für einen feuchten Händedruck absolvieren werden.

Drei Jahre danach – sprich sieben Jahre vor der eigentlichen Austragung betritt dann das IOC – das International Olympic Committee – die Bühne und es wird ausgewählt. Und so kommt es manchmal zu Momenten, wie jenem im Jahre 2009: Chicago hatte sich in den Kopf gesetzt,  die Sommerspiele 2016 hosten und hatte bereits an die 100 Millionen USD in den Aufbau gesteckt nur um erfahren zu dürfen, dass Brasilien ihnen vorgezogen wurde und man nun Zeuge der Umsiedlung von 77 000 Menschen werden durfte, bis heute noch nicht weiß, welche Gräuel der Natur angetan wurden um beispielsweise den brasilianischen Golfplatz auf Vordermann zu bringen oder Zitate, wie das eines brasilianischen Fischers, zu hören, der Teilnehmern der olympischen Segelregatta laut Tagesschau nur „Viel Glück und viel Antibiotika“, in Anspielung auf die katastrophalen Zustände der brasilianischen Buchten, wünschte.

Um solchen Dilemmas zu entgehen, legen sich neuerdings Anbieter immer mehr ins Zeug und schlagen horrende Summen vor um bei der Auswahl überhaupt einmal in Frage zu kommen. Doch warum machen Städte so etwas überhaupt? Nun ja, tatsächlich setzen hierbei eher private Profiteure auf Olympia: Und zwar als effektive Methode der Selbstbereicherung: Was der Natur den Garaus zu bereiten vermag, ist auch fähig die Geldbörsen von Versicherungsunternehmen, Architekturbüros, Investmentbankern und, an erster Stelle, Immobilienunternehmern anzufüllen.

Städte, die teilnehmen wollen, werden also von der Immobilienindustrie immens gepusht, die ihren eigenen Vorteil wittern und beginnen über die ganze Welt verstreut, maßlos zu übertreiben. Letztendlich können sich die Olympischen Spiele wahrlich zu einer Goldgrube etablieren, die Mitglieder dieser Branche zu Aufträgen in Höhe von bis zu 15 Milliarden Euro verhelfen.

Doch ungeachtet des resultierenden Profits der Privatunternehmen, wieso kandidieren Städte bei diesen roten Zahlen? Der ehemalige deutsche Olympiasieger im Fechten und amtierende Präsident des IOC (International Olympic Committee), Thomas Bach argumentiert dies mit angeblichen Vorteilen, die in direkter Folge an die Austragung der Spiele eintreten sollen. Er spricht von aufkommendem Tourismus, Verbesserungen des internationalen Handels, Investments in die Infrastruktur aus anderen Ländern, eine Aufhübschung der Reputation des jeweiligen Austragungsortes sowie erhöhtem Andrang und Interesse am Ausüben von diversen Sportarten, aufgrund der Anwesenheit diverser Anlagen. Als Antwort auf die immensen Proteste als Reaktion auf die Austragung der Spiele in Rio aus den Reihen der ärmeren Bevölkerungsschichten, deklarierte Bach, man solle den momentanen Opfern der Umstände die Vorteile klarmachen: Eine Verbesserung der Verkehrslage sowie leistbareres Wohnen in der momentanen Olympiastadt. Inwiefern diese Versprechen Menschen, deren Hab und Gut entwendet wurde, zu der Zeit hätten helfen sollen, ist zu hinterfragen, denn die Fakten sprechen gegen ihn: In Athen wurden für die Olympischen Sommerspiele 2004 beispielsweise 11 Milliarden Euro ausgegeben. Momentan ist das „olympische Schwimmbecken“ eher die Müllpresse 3263827 aus Star Wars – A New Hope und das Areal um das Hauptstadium herum gleicht einem Schlachtfeld.

Auch in Peking sah es nach den Spielen 2008 nicht anders aus: Obwohl Sommerspiele aufgrund der größeren Anzahl an Sportarten naturgemäß teurer sind, waren 44 Milliarden ein neuer Rekord (der 6 Jahre später mit ca. 55 Milliarden kosten in Sotchi gebrochen wurde). Nun steht das Nationalstadion aufgrund mangelnder Pächter einsam in der Einöde herum und kostet die Chinesen 11 Milliarden Dollar pro Jahr während es langsam dahinsiecht.

Doch, um den Präsidenten nicht zu subjektiv zu bewerten, ist zu erwähnen, dass Bach, nach dem Triumph Tokios über Istanbul und Madrid als Austragungsort der Olympischen Spiele im Sommer 2020, unterstrich, er wolle für mehr Nachhaltigkeit in den Austragungsorten sorgen und den Prozess der Ausschreibung reformieren, Zitat: "We could take a different approach by saying to candidates, „How do you imagine sustainable Olympic Games in your city?“; „How does it fit with your development plan - with regards to transport, infrastructure and social issues?

"Then you get a concept that really fits with the respective society and culture and not like now with bid books which are all the same and written by the same people."

Doch langsam haben die einzelnen Länder keine Lust mehr: Und trotz der motivierten Immobilienunternehmen erkennen immer mehr Länder und Städte, dass es bessere Ideen gibt, als die Sportveranstaltung zu hosten. Unrealistische Deadlines, Gebäude, Anlagen oder Straßen fertigzustellen, wie man sie in Korea diesen Winter erlebte, bringen Arbeiter und deren Vorgesetzte immer öfter an deren Grenzen was extra Prämien zugunsten der Firmen, zufolge hat. Die Regierungen verlieren noch mehr.

Bedeutet das, dass das „Wettbereichern“ und Kraftprotzen bald ein Ende haben wird?

Los Angeles reichte beispielsweise das einzige Angebot ein, die Sommerspiele 2024 zu beheimaten, was den Samen für die Idee gesät hat, die olympischen Spiele, die ursprünglich über den Planeten reisten um auch für ärmere Staaten, die sich für ihre Athletinnen und Athleten keine langen Reisen leisten konnten, eine Teilnahmemöglichkeit zu schaffen, nun auf einige wenige Fixpunkte zu beschränken. So würden keine teuren Anlagen verfallen und die möglichen Austragungsorte würden auch stets allen Kriterien entsprechen – wie zum Beispiel Los Angeles, wo man bereits fast alle nötigen Anlagen vorzufinden vermag! So sank das Budget in L.A. auch auf „mickrige“ 5.3 Milliarden USD.

 

Übrigens: Für die Winterspiele 2022 konnte das IOC immerhin noch zwischen Kasachstan und China wählen.

Spoiler: China hat gewonnen und hostet nun 2020 die Sommer- und 2022 die Winterspiele. Peking hat zwar keine Berge und zusätzlich fast nie Schnee und sogar ihr Klimadiagramm ist von den negativ-Temperaturen her eher ein Neusiedlersee als der Marianengraben.

Jedoch stehen solche Daten auch fast so sehr im Mittelpunkt vernünftiger Winterspiele, wie der Sport bei Besagten an sich. Das Kasachstan im Besitz von genügend Höhenmetern und Schnee ist oder solch rudimentäre Dinge, wie die Bewahrung der Umwelt und die Instandhaltung der Menschenrechte, spielen beim IOC offenbar eine wesentlich geringere Rolle, als Chinas pekuniäre Macht.

Naja, selbst schuld, Menschen!

 

 

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